"Hippie vermin" hisses the bank employee who still thinks of himself as a punk. He’s sitting next to me as we’re watching the Kammerflimmer Kollektief playing. He says it because he doesn’t understand. In fact, he doesn’t understand anything. He sees them play, but he does not listen.
I wonder: Does the word "play" suffice? Maybe the members of the Kammerflimmer Kollektief even perform. I am not sure. The presentation is authentic, but it’s still a presentation. You see people, you hear their souls but no one exposes him/herself mindlessly. No one makes a fool of him/herself.
No one plays the stick-in-the-mud. No one disengages him/herself. Three people who play music.
Heike Aumüller sits on the floor, making music, singing in a type of English which can only be understood by people who listen. Those who look, who want to see music, do not see anything at all. And they feel nothing. Johannes Frisch fondles his double bass like Kate Bush did in her video to "Babooshka". But while Kate Bush didn’t play, Frisch does while simultaneously playing around with it, winding himself around the instrument – 1:0 for the venerably aged jazzer. On the other side sits Thomas Weber, bent over his guitar, occasionally operating the electronics in front of him, while his other hand is being played by the guitar. Again and again, it drags the other hand towards the instrument – it’s as simple as that. The audience has to want to listen and not only see. Those who can see, see the art of Heike Aumüller which graces the cover. What one sees there is vulnerable and strong at the same time. Anyone who has ever watched a Bruce Willis action movie will know the sentence that Willis – suddenly more than just muscles and smiles – utters to the obligatory child (or woman, anyway, something to rescue): "Of course I’m afraid."
What do we learn from this? Those who make themselves vulnerable become strong. The Kammerflimmer Kollektief has made itself strong, had made itself strong even before it merged into a band and then as a band, is grew even stronger. And more vulnerable. Where the music used to be beautiful, it now became powerful and momentous. Dietmar Dath speaks the truth when he suggests that one should listen to the music loud – because thus it gains even more depth.
The Kammerflimmer Kollektief is emotive and impassioned. It is also as lucid and precise as those moods which Robert Musil (who is above suspicion of a being a romanticist) called "daylight mysticism". The lyrics and the music want to be heard, they want to be explored, even suffered. Sound builds songs which are made of sounds, and yet they’ re no longer songs.
"Wildling" is the trio’s strongest and most vulnerable album to date. It is a solipsist, which floats solitary in its own space, somewhere between the orbits of jazz, krautrock, pop and hell.
This space is an earthly heaven, which we are permitted to inhabit – if we only can hear, with our ears as well as our heads.
"Hippiegeschmeiß", zischelt der punkgebliebene Bankangestellte zu meiner Rechten, als er das Kammerflimmer Kollektief spielen sieht. Er sagt dies, weil er nicht versteht. Er versteht leider nichts. Denn er sieht sie spielen, aber er hört nicht.
Reicht das Wort "spielen"? Vielleicht performen die Bandmitglieder ja sogar. Ich bin mir nicht sicher. Die Inszenierung ist authentisch, ist jedoch immer eine Inszenierung. Leute sind zu sehen, Seelen sind zu hören, aber niemand macht sich sinnlos nackig. Niemand macht sich lächerlich. Niemand macht den Trauerklops. Niemand macht sich frei. Drei Leute machen Musik.
Heike Aumüller sitzt auf dem Boden, musizierend, singend, in einem Englisch, das sich nur den Hörenden erschließen kann, denn die Sehenden, die also, die Musik sehen wollen, sehen nichts. Und fühlen nichts. Johannes Frisch steigt in den Standbass, wie es so nur Kate Bush getan hat, doch hat Kate Bush nicht gespielt, Frisch aber spielt und windet sich dabei ums Instrument herum, 1:0 für den in Ehren ergrauten Jazzer. Thomas Weber wiederum sitzt, die Gitarre umgespannt, gekrümmt auch er um sie, und während die eine Hand manchmal die Elektronika bedient, die zugeschaltet wird, lässt sich die andere von der Gitarre spielen und reißt die eine immer wieder mit, so einfach ist das. Man muss nur hören wollen, und nicht nur sehen.
Wer sehen kann, sieht die Kunst von Heike Aumüller auf dem Cover, und was er sieht ist verletzlich und stark zugleich. Jede und jeder, der und die einmal einen Bruce-Willis-Actionfilm gesehen hat, kennt den Satz, den Willis, plötzlich mehr als nur Muskeln und Lächeln, zum obligatorischen Kind sagt (oder zur Frau, in diesen Filmen fast das gleiche, weil: nur zum Retten da): "Klar habe ich Angst."
Wir lernen: wer sich angreifbar macht, wird stark. Das Kammerflimmer Kollektief macht sich stark, hatte sich schon stark gemacht, als das Kollektiv noch keines war, als es sich erst fand, und zur Band verschmolz, wurde als Band stärker. Und angreifbarer. War die Musik schon vorher schön, so wurde die Schönheit nun wuchtig, und Dietmar Dath spricht die Wahrheit, wenn er anrät die Platte laut zu hören – sie hat dann noch mehr Tiefe.
Das Kammerflimmer Kollektief ist gefühlig und pathetisch, aber dabei so klar, wie jene Stimmungen klar sind, die Robert Musil, der der Romantik völlig unverdächtig ist, die "taghelle Mystik" nannte. Die Texte und die Musik wollen gehört werden, ausgespürt, ertastet, durchlitten, der Sound baut Songs, die aus Sound gebaut sind, Songs, die aber keine Lieder mehr sind.
"Wildling" ist die bislang stärkste und verletzlichste Platte dieses Trios, das ein Einziges ist, ein Solipsist, der irgendwo zwischen Jazz, Krautrock, Pop und Hölle allein vor sich hinschwebt, sein eigener Himmel. Ein irdischer Himmel, in dem wir wohnen dürfen. Wenn wir nur hören können, mit unseren Ohren und unserem Kopf.
Jörg Sundermeier